Kann Kreativität in dem tragischsten aller menschlichen Zustände ein Ventil finden? Und wenn dies geschieht, welche Werte und Geschichten werden dadurch ausgedrückt und verklärt?
Noch bevor wir mehr über die Beweggründe des Blues und die Geschichte der Menschen wissen, die den Blues zu ihrer Sprache und in gewisser Weise zu ihrer Rache, zu ihrer Erlösung gemacht haben, noch bevor wir die Bedeutung von Missbrauch, Kampf und Exil in unseren Köpfen und auf unserer Haut spüren, haben wir den Eindruck, dass all dies uns heute mehr denn je betrifft.

In dem historischen Moment, in dem wir leben, in dem sich die über Jahrhunderte, Jahrtausende erreichten Fortschritte in der Entwicklung des Bewusstseins und der Ideen nicht nur aufzuheben scheinen, sondern sogar an Bedeutung und Legitimität verlieren, haben der Blues und seine Künstler uns noch viel zu sagen und zu lehren – sowohl auf menschlicher als auch auf künstlerischer Ebene, Charaktere, die tatsächlich miteinander verschmelzen, weil sie Teil einer echten kulturellen Stimmung sind, die jeden Aspekt des Lebens und der Erfahrung der Menschen beeinflusst hat, die ihrer Heimat und ihrer Freiheit beraubt wurden.

All das ist nach einem Jahrhundert immer noch ungeheuer aktuell und aus diesem Bewusstsein heraus erwächst auch Prison Songbook, das die Provokation ins Exzess treibt, indem es gezielt den Blues vom Verlust der Freiheit und Würde par excellence erzählt, also den Blues der Gefängnisse und Arbeitslager.

Wir haben Spuren von Prison Songs bei vielen Autoren gefunden: Robert Pete Williams, Son House, Charlie Patton, Bukka White, Peg Leg Howell, Blind Lemon Jefferson, R.L. Burnside, Furry Lewis, Leadbelly, Skip James, Robert “Guitar Welch”, Scrapper Blackwell usw. Wir haben unglaubliche Worksongs entdeckt.

Wir haben verstanden, dass die menschliche Stimme und der menschliche Geist nicht in einen Käfig gesperrt werden können.

Prison Songbook erzählt die Musik und Poesie großer Künstler, denen die wenigen Philanthropen der damaligen Zeit im wahrsten Sinne des Wortes eine Kaution bezahlten, damit sie wenigstens einen Tag lang das Gefängnis verlassen konnten, um die Werke aufzunehmen, ohne die es die Musik, wie wir sie heute kennen und wertschätzen, nicht geben würde.

Prison Songbook stellt nicht nur in Italien ein Unikat innerhalb der musikalischen und kulturellen Angebote dar, da es ein hochaktuelles Thema wie das der Menschenrechte behandelt, das auch für die heutige Gesellschaft ein Denkanstoß sein kann.

Prison Songbook wurde mit dem Bortolo-De-Vido-Preis für den kulturellen, musikalischen und sozialen Wert des Projekts ausgezeichnet.